Lübecker protestieren gegen Zwangszuweisung

Mit selbst gemalten Plakaten, Bannern und Fahnen kamen am Samstag, 15. Mai, rund 100 Menschen am Lübecker Lindenplatz zusammen, um gegen die Zwangszuweisung von 1410 Tonnen Atomschutt aus dem AKW Brunsbüttel auf die Deponie Niemark sowie weiteren 900 Tonnen in der Deponie Johannistal (Ostholstein) zu demonstrieren. Die Kieler Landesregierung hatte Anfang der Woche die Zuweisungsbescheide versandt.

Initiativen-Banner auf Demo

Die Forderungen der Hauptredner:innen Karin Hartmann und Lüder Möller (Umweltgewerkschaft), Juleka Schulte-Ostermann (GAL), Marek Lengen (SPD Lübeck) und Marie Weigenand (Bürgerinitiative Lübeck ohne Atomschutt) auf dem Marktplatz waren einheitlich und eindeutig: Zuweisungsbescheide zurücknehmen und endlich die Ärmel hochkrempeln, um ein Alternativkonzept (Belassung und Verschluss vor Ort oder noch besser: Verbringung in noch zu planende, spezielle austrittssichere Monolager wie in Frankreich) auf den Weg bringen, statt im Rahmen eines für die AKW-Betreiber kostengünstigen Konzeptes die Gesundheit von vielen Menschen aufs Spiel zu setzen.

Demozug

Die Bürgerinitiative wies in ihrer Rede nochmals darauf hin, dass der freigemessene Schutt aus dem AKW, um den es bei der geplanten Einlagerung geht, nicht ungefährlich ist. Der ungefährliche Abfall wird recycelt und landet nicht auf einer Deponie, sondern im Wertstoffkreislauf. Dieser Umstand wird gern falsch dargestellt, um die Kritiker des Konzeptes zu untergraben. Die Gefährlichkeit wird durch diverse Verfahrensweisen "kleingemauschelt":

Es wird im Rahmen der Freigabe nur die Gammastrahlung gemessen. Gerade aber die Alpha- und Betastrahler sind gesundheitsgefährlich, wenn sie über verwehte oder über das Grundwasser verbrachte Teilchen absorbiert und in den Körperzellen eingelagert wurden. Diese werden ledigleich geschätzt, nicht gemessen.

Das so genannte "10-Mikrosievert-Konzept" betrachtet eine theoretische Maximaleinwirkung auf einen menschlichen Körper und nimmt als Referenz einen gesunden, 30-jährigen Mann. Hierbei werden zum einen weitaus gefährdetere Bevölkerungsgruppen wie z.B. Kinder außer Acht gelassen. Weiterhin wird aus der de facto um ein Vielfaches höheren Reststrahlenbelastung des Materials durch Kürzen (Betrachtung von wenigen Referenzisotopen, Runden, Schätzen, Hochrechnen) eine Zahl geschaffen, die Harmlosigkeit suggeriert. Selbst aber diese Größenordnung von künstlicher Mehrbelastung hat in Studien zu einer signifikant höheren Kinderkrebsrate geführt.

Messungen auf der nahegelegenen Deponie Ihlenberg/ehemals Schönberg haben gezeigt, dass radioaktive Stoffe auf herkömmlichem Weg nicht sicher gelagert werden können. Selbst dieser Deponie mit höherer Sicherheitskategorie und besserer Basisabdichtung ist es nicht gelungen, die Radioaktivität auf dem Deponiekörper zu halten. Hier werden seit 2011 stark erhöhte Konzentrationen des radioaktiven Tritiums im gereinigten(!) Sickerwasser festgestellt. Schon zum jetzigen Zeitpunkt ist die Tritiumbelastung (radioaktives Wasserstoffisotop) dort gesundheitsgefährdend hoch.

Gebasteltes Plakat

Viele Lübecker haben die Tragweite der Einlagerung erkannt und versuchen sich gegen einen aus Sicht der Bürgerinitiative potentiell größten Umweltskandale zu stemmen. Hierzu zählen neben den Organisatoren und der Bürgerinitiative die GAL, Die Unabhängigen, die regionalen Vertreter von SPD und CDU, der SSW sowie diverse ehrenamtliche Gruppen mit anderen Themenschwerpunkten (wie z.B. der Frauenverband Courage), die sich solidarisieren. Neben einem Grußwort der Bürgerinitiative aus Harrislee, signalisierte in einem Redebeitrag ein Vertreter der dänischen Minderheit im Landtag (SSW)- leider die einzige Partei dort, die gegen die Einlagerung "aktiv Farbe bekennt"- deren Unterstützung.

Die Demonstration verlief jederzeit friedlich, alle Corona Maßnahmen wurden ausnahmslos eingehalten. Die Polizei begleitete den Zug mit einer angenehmen Präsenz sehr freundlich und souverän. Die Bürgerinitiative Lübeck ohne Atomschutt zieht nach der Demonstration eine positive Bilanz und freut sich, dass trotz der Corona-bedingten Einschränkungen zahlreiche Lübecker ihren Unmut gegen das Vorgehen des Umweltministers Jan Philipp Albrecht offen auf die Lübecker Straßen getragen haben. "Wir freuen uns darauf, wenn sich künftig noch mehr Lübecker gegen die geplante Maßnahme in Protestzügen und Aktionen gegen die Zwangszuweisung anschließen", heißt es von der Bürgerinitiative.

Lübecker demonstrieren

Abschließende Anmerkung der Bürgerinitiative: Der Aufruf zur Demo erfolgte von der Umweltgewerkschaft. Die Bürgerinitiative "Lübeck ohne Atomschutt" (LoA) teilte die Einladung zur Demonstration über die Sozialen Medien. Die Bürgerinitiative arbeitet mit allen Organisationen und Parteien (nur) zum Thema der Einlagerung von Atomschutt auf Hausmülldeponien offen und kooperativ zusammen, ist ansonsten jedoch unparteiisch und distanziert sich von jedweden politischen Äußerungen jenseits der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.