Bürgerdialog "light" - Minister Albrecht wirbt für Deponierung von Atomschutt

Zu einer Dialogveranstaltung per Livestream und Chat hatten Minister Jan Philipp Albrecht und das MELUND (Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung) am frühen Dienstagabend eingeladen. Der Minister wollte nach eigener Aussage hier Ängste der Bürger*innen ernst nehmen und kritische Fragen beantworten. Nach dem Ende der rund zweistündigen Veranstaltung zieht die Bürgerinitiative Lübeck ohne Atomschutt ein ernüchtertes Fazit.

Zur Veranstaltung sagt die Lübecker Bürgerinitiative Lübeck ohne Atomschutt:

Schon der Auftakt zur Onlineveranstaltung mit Minister Albrecht war unserer Meinung nach mehr als holprig: So wurde bereits vollmundig von der Verteilung eines Info- und Einladungsschreibens des Landes an Anwohner der Deponien in der Presse gesprochen, tatsächlich kam dieses jedoch erst einen Tag, beziehungsweise am Tag der Veranstaltung in den betroffenen Haushalten an. Neben dieser recht spontanen Einladung zum Dialog sehen wir es ebenfalls kritisch, dass es keine allgemeine Einladung oder Aufklärungsbroschüre an alle Einwohner der beiden Deponiestandorte gab. Auch der Bürgerdialog selbst folgte diesem holprigen Weg. So startete Minister Albrecht die digitale Bürgerfragestunde gemeinsam mit seinen beiden Experten Dr. Backmann und Herrn Meyer mit Vorträgen zum Thema. Da man es den Zuschauern wohl einfach machen wollte, wurden die Vorträge von kleinen Präsentationen begleitet. Wer allerdings näher mit den behandelten Themenbereichen vertraut war, erkannte recht schnell die beschönigenden und irreführenden Aussagen, die diese beinhalteten. Hier hätten wir uns eine ehrlichere Darlegung der Sachlage gewünscht!

Weiter ging es dann mit dem "Dialog". Wer eben diesen jedoch WIRKLICH mit den Bürger*innen führen möchte, sollte unserer Meinung nach darauf verzichten, die von den Zuschauern per Chat gestellten Fragen durch eine Moderatorin auswählen zu lassen. Da wir ebenfalls Fragen gestellt haben, können wir zum einen sagen, dass Fragen (ob nun absichtlich oder nicht) von der Moderatorin umformuliert oder Teile der Frage ganz weggelassen wurden. Zum anderen mussten wir feststellen, dass einige Fragen gar nicht erst an den Minister oder seine Mitarbeiter weitergegeben wurden. Wir sind sehr gespannt darauf, ob – wie während der Veranstaltung auf Nachfrage angekündigt – tatsächlich ALLE Fragen auf der Seite des MELUND veröffentlicht und beantwortet werden. Leider mussten wir außerdem feststellen, dass viele Fragen oberflächlich beantwortet wurden. Ein Beispiel hierfür, war die Frage nach dem konkreten zeitlichen Ablauf der Anlieferungen ab dem jetzigen Zeitpunkt. Mehr als ein "demnächst" war dem Minister hier, trotz mehrfacher Nachfrage, jedoch nicht abzuringen. Stattdessen äußerte sich Albrecht ungeduldig auf erneute Nachfragen mit den Worten "die Fragen wiederholen sich nun langsam". Immer wieder wurden durch die Teilnehmer geäußerte Bedenken heruntergespielt. Gekrönt wurde dies aber durch die Aussage des Ministers, dass die freigemessenen Materialien, die nach Niemark und Johannistal geliefert werden sollen, "unbestritten" ungefährlich seien. Da waren Minister Albrecht wohl kurzzeitig die Gegen-Argumente von Ärzten (u.a. der IPPNW oder des Bundesärztetages), Umweltverbänden (BUND) oder gar die Aussage des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) "Jede noch so geringe Strahlenbelastung ist potentiell gesundheitsschädigend" entfallen.

Besonders deutlich wurde die fehlende Bereitschaft des schleswig-holsteinischen Ministers für einen echten Bürgerdialog als Albrecht (mehrfach) betonte, dass insbesondere Kritiker die Ängste der Anwohner schürten und das AKW-Material bewusst als gefährlicher darstellten, als es wirklich sei. Unserer Meinung nach besteht Aufklärung aber darin, alle Aspekte offen zu legen! Und dazu gehört nun einmal auch, dass es sich bei den Abrissmaterialien aus den deutschen Kernkraftwerken NICHT um völlig unbelastetes Material handelt. Es ist zum Teil kontaminiert worden und weist eine Reststrahlung auf. Diese erhöht am Ende die natürliche Strahlenbelastung, auf die sich der Umweltminister immer wieder gerne beruft.

Am Ende dieser Online-Debatte bleibt bei uns der fade Beigeschmack einer "Werbeveranstaltung" hängen. Denn, das betonte Jan Philipp Albrecht immer wieder: Das Mittel der Zwangszuweisung soll nur das ultima ratio darstellen. Da ist es auch kein Wunder, dass der Minister mit dieser zweistündigen Werbeveranstaltung für die Deponierung von freigemessenen AKW-Abfällen versuchte, Anwohner und Bürger*innen aus Lübeck und Gremersdorf von seinen Plänen zu überzeugen. Von einem Bürger*innen-Dialog hätten wir uns mehr erwartet, Herr Albrecht!