Wissenswertes rund ums Thema "Atomschutt"

Atomkraft? Nein danke

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Wer kennt sie nicht: Die lachende rote Sonne, die seit den 70er-Jahren zu dem Symbol gegen Atomkraft herangewachsen ist? "Atomkraft? Nein danke" lautet der Slogan und endlich, nach Jahrzehnten des Protestes schaltet Deutschland seine Atomkraftwerke ab. Die letzten Meiler sollen offiziell im Jahr 2022 abgeschaltet werden. Grüne Wiesen statt Atomkraft und Strahlenbelastung also? Leider nein! Denn nun beginnt zum einen die Suche nach einem geeigneten Endlager für die radioaktiven Abfälle, aber auch der Rest eines Atomkraftwerkes muss abgerissen und entsorgt werden. Was vielen hierbei gar nicht bewusst ist: Auch der Abrissschutt eines AKWs ist zum Teil schwer verstrahlt. Beton, Metalle, Kunststoffe, Isoliermaterial und so weiter und so fort - Wohin mit all diesem Bauschutt, der beim Abriss in mehreren hunderttausenden von Tonnen entsteht? Auf ganz normalen Deponien wie man sie in jeder deutschen Stadt finden kann! Möglich ist das durch das sogenannte "freimessen" von strahlendem Material.

"Freimessen" und freigeben

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Der Schutt, der bei dem Abriss eines AKWs anfällt wird beim Abrissprozess zerkleinert, geschrubbt und mit speziellen Prozessen so gereinigt, dass gewisse Grenzwerte bei Stichproben unterschritten werden. Die Freigabe und das "Freimessen" dieses Materials sind in der Strahlenschutzverordnung geregelt. Zuständig für die Freigabe ist die vor Ort zuständige Behörde. Sie kann den AKW-Schutt freigeben, wenn "für Einzelpersonen der Bevölkerung nur eine effektive Dosis im Bereich von 10 Mikrosievert (10 µSv) im Kalenderjahr auftreten kann." (§31-42, StrlSchV) Für den Abriss und auch die damit verbundenen Kontrollverfahren sind die AKW-Betreiber selber verantwortlich. Die Behörden führen lediglich Stichproben durch.

Formen der Freigabe

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In der Strahlenschutzverordnung wird zwischen der spezifischen und der uneingeschränkten Freigabe von Abbrissmaterialien aus Kernkraftwerken unterschieden. Das Umweltministerium des Landes Schleswig-Holstein will auf der Deponie Lübeck-Niemark Stoffe aus beiden Kategorien lagern. Bei den uneingeschränkt freigegebenen Stoffen handelt es sich dabei um Material, für die laut § 35 StrlSchV keine zusätzlichen Maßnahmen bei der Deponierung getroffen werden müssen. Sie können auf allen für den jeweiligen Abfallschlüssel zugelassenen Deponien erfolgen. Bei den speziell freizugebenen Stoffen verhält es sich etwas anders: Bei einer Überschreitung des zulässigen Radioaktivitätsniveaus für eine uneingeschränkte Freigabe können AKW-Abfälle trotzdem aus der atomrechtlichen Zuständigkeit entlassen und zur Beseitigung auf konventionellen Deponien freigegeben werden. Der AKW-Betreiber muss dann neben den Ergebnissen der Freimessung auch einen Nachweis über den Verbleib des Materials bei der Atomaufsicht einreichen. Für die Deponierung von Abfällen, die nach § 36 StrSchV spezifisch freizugeben sind, ist außerdem eine Überprüfung der Deponie, auf welcher das Matrial gelagert werden soll. Fakt ist: Material, das spezifisch freigegeben wird, ist trotz der Freigabe zur Deponierung auf Hausmülldeponien in jedem Fall radioaktiv belastet.

Kritik am 10 Mikrosievert-Grenzwert

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Der Schrott wird also gereinigt und ist im Anschluss nur noch "minimal" belastet. Alles also halb so schlimm: So zumindest argumentieren staatliche Strahlenprüfer beim Prinzip des Freimessens und Freigebens von AKW-Bauschutt. Schließlich handele es sich mit 10 µSv pro Person/Jahr um eine weit geringere Strahlenbelastung, als die der natürlichen Strahlenbelastung eines Menschens von rund 2400 µSv. Kritiker, wie zum Beispiel der Verein „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. ("ippnw"), meinen hierzu: "Bei dieser Argumentation wird suggeriert, Hintergrundstrahlung sei ungefährlich. Es ist allerdings durch zahlreiche epidemiologische Studien belegt, dass schon die Hintergrundstrahlung nachweislich zu Gesundheitsschäden führt. Im "Ulmer Papier" der IPPNW aus 2014 wurde eine Vielzahl aktueller Studien ausgewertet, die zeigen, dass jede radioaktive Strahlung zu einer Krebserkrankung führen kann. Eine Schwelle, unterhalb derer Strahlung ungefährlich wäre, existiert nicht." (Quelle: https://www.ippnw.de/atomenergie/atommuell/artikel/de/freigabe-radioaktiven-materials-beim.html)

Weiterer Kritikpunkt der Ärzte: "Dem 10 μSv-Konzept liegen veraltete, 39 Jahre alte Risikoabschätzungen (ICRP 26/1977) zugrunde. Insgesamt müssen wir feststellen, dass allein in den offiziell zugänglichen Berechnungen das Strahlenrisiko etwa um den Faktor 12 unterschätzt wird. Ebenso haben wir auf weitere zahlreiche systematische Fehler in den zugänglichen Rechenmodellen hingewiesen und kritisiert, dass die Grundlagenstudie zur Vektormodellierung unter Verschluss gehalten wird. Auch verweigern die Betreiber Angaben zu den tatsächlich vorliegenden aktivierten Massen innerhalb des AKW in Form eines Gesamtkatasters "Radioaktivität". Sie legen jeweils nur Schätzwerte vor – wir haben deshalb von einem "Blankoscheck" für die Atomindustrie gesprochen." (Quelle: https://www.ippnw.de/atomenergie/atommuell/artikel/de/freigabe-radioaktiven-materials-beim.html)

Und auch der Verein ".ausgestrahlt e.V." sieht bei den Prüfverfahren und der Transparenz gegenüber der Bevölkerung ein erhebliches Problem. So kritisieren die Aktivisten den Interessenkonflikt bei den Messungen, welcher "saubere" und unabhängige Messungen verhindert. Denn der Betreiber hat ein klares (finanzielles) Interesse daran, dass Kontrolleure möglichst viel des anfallenden Atomschrotts "freimessen". Zudem bezahlt der AKW-Betreiber die Kontrolleure, was eine Unabhängigkeit ausschließt. (Quelle: ausgestrahlt Flyer "freimessen und vergessen")

Als weitere Kritik am 10-Mikrosievert-Grenzwert kann auch die signifikant erhöhte Kinderkrebsrate rund um ein AKW im Normalbetrieb herangezogen werden. Die Belastung eines Kernkraftwerk im Normalbetrieb wird mit einem Wert unter 10 Mikro-Sievert angegeben (Angabe z.B. Deutsches Atomforum e.V.,2008). Und obwohl eine zusätzliche Strahlenbelastung von 10-Mikrosiervert pro Jahr/Person von der Politik gerne als völlig ungefährlich dargestellt wird, belegt die KIKK-Studie aus dem Jahr 2007 eine signifikante Erhöhung der Kinderkrebsrate im Umkreis von Kernkraftanlagen (20 km Radius). Denn was die Politik gerne unterschlägt, ist die Information, dass das 10-Mikrosievert-Konzept ein Rechenmodell, welches als Referenzobjekt einen gesunden Mann um die 30 Jahre und 75 Kilogramm heranzieht. Die Belastung für beispielsweise Kinder und/oder gar ungeborenes Leben wurden nicht berücksichtigt.