Die Erwartungen an den Besuch des Umweltministers Jan Philipp Albrecht in der Lübecker Bürgerschaftssitzung am Donnerstag, 25. Februar 2021, waren hoch. Sowohl bei den Lübecker Politikern, als auch bei den Bürgern. Die einen erwarteten eine Entschuldigung für "Wortentgleisungen" (Zitat Peter Petereit, SPD) in einem Zeitungs-Interview und eine Rücknahme der Zuweisung von Atomschutt nach Lübeck, die anderen hofften auf einen offenen und direkten Dialog mit dem Minister. Enttäuscht wurden beiden Seiten. Die Bürgerinitiative "Lübeck ohne Atomschutt", die vor Ort mit Protestaktionen ihren Unmut zur geplanten Zuweisung von 12.500 Tonnen Atomschutt nach Lübeck ausdrückte, kritisiert insbesondere die Ignoranz des Ministers gegenüber dem von ihm so oft angepriesenen Bürgerdialog. Denn diesen führte Albrecht wieder einmal nicht.
Mit Bannern, Aufklebern, Schriftzügen und einer provozierenden Maskerade demonstrierte "Lübeck ohne Atomschutt" vor und in der MuK. Selbstverständlich unter Berücksichtigung der Corona-Regeln. Die Hoffnungen der Initiative: Mit dem Minister vor Ort ins Gespräch kommen. In jeden Fall aber noch einmal darauf aufmerksam machen, dass die Lübecker Bürger nicht bereit sind, sich die Zwangszuweisung von Atomschutt ohne Protest gefallen zu lassen.
Doch obwohl Jan Philipp Albrecht rund drei Stunden lang der Sitzung der Bürgerschaft beiwohnte und immer wieder von Gesprächsbereitschaft mit den Lübeckern sprach: Ein Gespräch mit Initiativenmitgliedern, die in der Lobby der Musik- und Kongresshalle nach der Bürgerschaftssitzung Infomaterial verteilten, kam nicht zustande. "Minister Albrecht hätte uns durchaus als kritische Bürger wahrnehmen können und das Gespräch oder zumindest die Einladung zu eben solch einem mit uns suchen können", zieht ein Mitglied von "Lübeck ohne Atomschutt" am Ende des Abends Bilanz. "Auch wir müssen den Worten des Bürgermeisters '[...]Ich kenne keinen Lübecker, der mit Ihnen gesprochen hat[...]' (Zitat aus der Bürgerschaftssitzung) zustimmen. Auch wir kennen niemanden! Und dass, obwohl der Minister gebetsmühlenartig immer wieder seine Gesprächsbereitschaft vor allem mit den betroffenen Bürgern vorträgt."
Neben der mangelnden Kommunikation außerhalb des Bürgerschaftssaals, bemängelt die Bürgerinitiative erneut die Darstellungen des Umweltministers zum Thema Belastung des Bauschutts aus dem AKW-Brunsbüttel und den damit verbundenen Risiken für die Lübecker. "Wieder einmal wurde beschönigt, beschwichtigt und abgewiegelt. Auf wirklich wichtige Fragen wurde gar nicht erst geantwortet. Von einem Drei-Stunden-Besuch hätten wir uns wirklich mehr erwartet", heißt es von Seiten der Bürgerinitiative.
Immerhin wurde die Aktion von "Lübeck ohne Atomschutt" von den Lübeckern und den Bürgerschaftsmitgliedern wahrgenommen. Es kam zu informativen Gesprächen und einem netten Austausch mit interessierten Passanten. "Vor allem freut uns sehr, dass wir viel Zuspruch für unseren Kampf gegen die Lagerung von Atomschutt auf herkömmlichen Deponien bekommen haben", zieht die Initiative am Ende eines langen Abends Bilanz.